Die Polarisation der Aufmerksamkeit

Beschreibung:

Die Polarisation der Aufmerksamkeit entspricht einer absoluten, tiefen Konzentration, einem "Flow", der uns allen aus der Welt der Künstlern und strebsamen Forscher bekannt ist. 

Das Kind verweilt intuitiv und aus sich selbst heraus über einen langen Zeitraum bei ein und derselben Tätigkeit. Es gewinnt Distanz zu seiner Umgebung und arbeitet lange und intensiv an seinem Werk. Bei Abschluss erfährt das Kind ein Gefühl der Befriedigung, des Erfolges und dieses wiederum motiviert es zu erneutem Beginn einer anderen Tätigkeit. Für Maria Montessori ist die Polarisation die Grundlage allen nachhaltigen Lernens, aber auch die Grundlage der Reifung der eigenen Persönlichkeit (siehe Zitat).

 

Zitat:

"Jedes Mal, wenn eine solche Polarisation stattfand, begann sich das Kind vollständig zu verändern. Es wurde ruhiger, fast intelligenter und mitteilsamer"

(M. Montessori, "Die Entwicklung des Kindes", Freiburg 1987)

 

Umsetzung in unserem Haus:

Die Polarisation bedarf täglicher Übung. Konzentriertes Forschen, Lernen, Arbeiten ist die Basis jedes zufriedenen und ggf. auch erfolgreichen Lebens. In tiefer Versunkenheit zu schaffen und zu erfüllen, gibt uns eine wunderbare Ruhe in uns selbst: Können schafft Selbstbewusstsein und Selbstvertrauen - was wünschen wir uns mehr für unsere Kinder?

Wir begleiten die uns anvertrauten Kinder in diese Konzentration, schaffen eine Umgebung, in der Polarisation der Aufmerksamkeit möglich ist und vertrauen somit in die wunderbaren Grundlagen, die die Kinder in sich tragen und hier ausleben können.

 

Bedingungen für Polarisation der Aufmerksamkeit:

Das Zusammentreffen der sensiblen Periode (siehe unten) mit dem entsprechenden Angebot durch die beobachtende Pädagogin ist die Voraussetzung für das Phänomen der Polarisation der Aufmerksamkeit. In unserem Kinderhaus werden ausnahmslos Materialien angeboten, die auf sensible Perioden abgestimmt sind und Polarisation ermöglichen.

Die sensiblen Perioden

Beschreibung:

Maria Montessori stellte bei ihrer Arbeit mit Kindern fest, dass es in der kindlichen Entwicklung Phasen gibt, in denen das Kind eine besondere Empfänglichkeit, eine besondere Bereitschaft für den Erwerb bestimmter Fähigkeiten hat. Während dieser sensiblen Phasen richtet sich die Aufmerksamkeit des Kindes auf gewisse Bereiche seiner Umgebung. So gibt es etwa bestimmte Perioden für den Erwerb der Sprache, des Ordnungssinns, die Bewegung oder der Unterscheidung von Gut und Böse.

 

Zitat:

"Es handelt sich um besondere Empfänglichkeiten, die in der Entwicklung periodisch auftreten und an gewisse Umweltreize gebunden sind auf die der Organismus spontan reagiert. Sie sind von vorübergehender Dauer und dienen nur dazu dem Wesen den Erwerb einer bestimmten Fähigkeit zu ermöglichen." (M. Montessori, "Kinder sind anders, S61ff)

 

Umsetzung in unserem Haus:

Unsere Aufgabe und die besondere Qualität unserer Arbeit mit Kindern ist der hohe Stellenwert und die große Aufmerksamkeit auf die sensiblen Phasen der Kinder. Das richtige Angebot für das einzelne Kind im rechten Augenblick geben zu können, ist unser großes, andauerndes Anliegen.

Die freie Wahl der Arbeit

Beschreibung:

Ein weiteres Kernstück der Montessori Pädagpogik ist die freie Wahl der Arbeit. Im Kinderhaus in San Lorenzo beobachtete Maria Montessori das Verhalten der Kinder, als die Pädagogin eines Tages verspätet eintraf. Die Kinder entnahmen für sie interessante Materialien und arbeiteten konzentriert und ausdauernd wie nie zuvor. Von da an nahm Maria Montessori die "freie Wahl der Arbeit" als einen Baustein ihres Konzeptes auf. Ihre Annahme, dass freigewählte Inhalte weit besser aufgenommen werden und über längere Zeit interessant bleiben, wird auch von Neurologen heute bestätigt. 

 

Zitat:

"Die innere Empfänglichkeit bestimmt, was aus der Vielfalt der Umwelt jeweils aufgenommen werden soll, und welche Situationen für das augenblickliche Entwicklungsstadium die vorteilhaftesten sind. Sie ist es, dass das Kind auf gewisse Dinge achtet und auf andere nicht." 

 

Umsetzung in unserem Haus:

Wir bereiten die Materialien vollständig und den sensiblen Perioden der Kinder entsprechend auf, so dass sie schon beim Eintreffen in ihren Räumlichkeiten mit geschultem Blick "ihr" Material zur Bearbeitung auswählen können oder Arbeiten vom Vortag fortsetzen. Ein eher unschlüssiges Kind begleiten wir mit Angeboten bis auch dieses in die vertiefte Arbeit kommt. 

Durch die vorbereitete Umgebung ist es in unserem Haus nicht relevant, ob ein Kind schneller lernt oder eine Übung zigmal wiederholt, bis die Arbeit perfektioniert ist. Jedes Kind kann sich dem eigenen Tempo entsprechend , konkurrenzlos und ohne einschränkenden Einfluss von außen entwickeln. 

Die Kinder wählen das Arbeitsmaterial, den Zeitpunkt, die Dauer und den/die PartnerIn selbstständig aus - wir erkennen darin eine besonders realistische Vorbereitung auf das Berufsleben.

Die vorbereitete Umgebung

Die Vorbereitete Umgebung ist die Voraussetzung für die "Freie Wahl der Arbeit" und somit auch für die "Polarisation der Aufmerksamkeit".

Architektur, Mobiliar und Material sollen ästhetischen und praktischen Ansprüchen des Kindes genügen. Dem Material kommt dabei eine besondere Bedeutung zu. Es soll dem Kind Selbstbildung und Selbsterziehung ermöglichen.

Aufgabe der PädagogInnen ist es, die Umgebung vollständig und mit Aufforderungscharakter zu gestalten. Folgende Bedingungen sind für das Material/die "Vorbereitete Umgebung" gegeben:

 


Zitat:

"Die Aufgabe der Umgebung ist nicht, das Kind zu formen, sondern ihm zu erlauben, sich zu offenbaren." (M.Montessori)

 

Bedingungen/Umsetzung in unserem Haus:

1. Die Einmaligkeit: Jedes Material ist nur einmal im Raum vorhanden. Die Kinder lernen Geduld, Einteilung oder auch Partnerarbeit.


2. Die Isolierung der Schwierigkeit: Jedes Material behandelt ein einziges, abgegrenztes Problem.


3. Die Kontinuität: Jedes Material steht in einem unmittelbaren, lückenlosen Zusammenhang mit anderen Materialien zu diesem Thema - die Materialien in unserem Haus sind inhaltlich vollständig. Der Aufbau erfolgt vom Einfachen zum Schweren, damit das Kind sein Wissen selbständig aufbaut.


4. Das handelnde Lernen: M.Montessori sagte: „Die Hand ist Werkzeug des Geistes“. Lernen geschieht durch Verbindung von körperlicher und geistiger Aktivität. Jedes Material beinhaltet einen Handlungsauftrag.

 

5. Jedes Material hat seinen festen Platz im Regal. Strenge Ordnung ist wichtig. Diese Ordnung wird von den PädagogInnen vorgegeben, ist den Kindern bekannt und wird von ihnen selbstständig eingehalten.

 

6. Die Wiederholbarkeit: Das Material steht dem Kind für stete Wiederholung zur Verfügung, bis es selbst entscheidet, dass es mit der Arbeit fertig ist und das Material an seinen Platz zurückbringt.

 

7. Die Selbstkontrolle: Jedes Material birgt eine eigene Kontrolle in sich. Das Kind kann unabhängig vom Erwachsenen, von dessen Kontrolle und Urteil, seine eigene Arbeit bewerten.

 

8. Die Motivation: Jedes Material birgt Aufforderungscharakter, so dass Neugier geweckt wird und es zu Arbeit auffordert. Die intrinsische Motivation im Kind zu erhalten ist unser großer Wunsch.

 

9. Unsere PädagogInnen achten auf Sauberkeit und Ästhetik des Materials und der Räumlichkeiten.

 

10. Das Material ist so aufgebaut, dass es "Polarisation der Aufmerksamkeit" ermöglicht. Ein arbeitendes Kind wird nicht unterbrochen oder gestört.

Übungen des täglichen Lebens

Mit jedem Tag verdeutlicht sich das größte Streben jedes Kindes: Die Unabhängigkeit vom Erwachsenen und es den großen Vorbildern gleichtun zu können.

Die äußeren Gegebenheiten, Gefahren oder mangelnde Zeit unterbinden dieses Streben jedoch und lassen den Wunsch des Kindes immer mehr verblassen. Bald wird es passiv und unterlässt jeden Versuch der Selbsttätigkeit schon von vornherein. Es überlässt den Erwachsenen das Anziehen, Waschen, Herrichten, Wegräumen...Passivität, Lustlosigkeit, Abhängigkeit und Langeweile machen sich breit.

 

"Die Übungen des täglichen Lebens" geben schon den Kleinsten Möglichkeiten, an den Erledigungen des Alltags teilzunehmen. Sie finden Materialien um zu knöpfen, Maschen zu binden, zu kehren, zu schütten, zu gießen...Jedes Material enthält eine Selbstkontrolle, um das Kind in seinem Schaffen weiter unabhängig vom Erwachsenen zu lassen und den Arbeitsfluss nicht unnötig durch Korrekturen oder gar Kritik einzuschränken. Jedem Kind wird die Zeit für all diese Erfahrungen gegeben, um sicherzustellen, dass es die Übung wiederholen kann, bis es sich nach eigenen Ansprüchen selbst perfektioniert hat. Was bleibt, ist das Gefühl des Erfolges, der getanen Arbeit und das Wissen, Teil der Welt der Großen zu sein und gleichwertig schaffen zu können.